Nachdem wir beim Landwasser Viadukt waren, setzten wir gemütlich unsere Reise fort und machten uns auf dem Weg Richtung Julierpass. Ein merkwürdiger "Zufall" brachte uns zum lachen. Dazu ein kleines Intermezzo:
Im letzten August zogen meine Seelenpartnerin und ich zum ersten Mal zusammen auf eine Tour los. Wir philosophierten viel und reisten eigentlich willkürlich und ohne Plan durch die Gegend. Ohne es zu merken waren wir in der Nähe des Julierpass und die Tankanzeige war gefährlich nahe im roten Bereich. Ich wusste nicht ob irgendwo hier oben im Niemandsland eine Tankstelle war und je weiter wir fuhren desto beunruhigender wurde es. Nach einer Weile sahen wir in der Ferne tatsächlich eine Tankstelle und uns fiel ein Stein von Herzen. raussen tobte ein gewaltiger Wind und gegen die Tatsache das wir noch Sommer hatten, war es eiskalt. Wir tankten rasch und stürzten uns lachend ins Auto rein und weiter gings. Über ein halbes jahr später und summa summarum die gleiche Uhrzeit, hatten wir die selbe Erfahrung, fast exkt genau so. Tank war fast leer und wir erinnerten uns nicht an diese Tankstelle die dann auch vor uns auftauchte, genau so wie unsere Erinnerungen. Ein für uns spezieller Moment.
Als wir fast oben angekommen sind, hielten wir an. Eine sehr schöne Gegend und auch eines der schönsten Pässe der Schweiz. Doch diesmal war es dunkel und die bergige Alpenlandschaft versank in der Dunkelheit. Die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt herum und wäre mit unserer Ausrüstung kein Problem gewesen. Wir parkten das Auto am Strassenrand auf einer Parkbucht und machten alle Lichter aus. Das Auto wackelte leicht hin und her und erst jetzt merkten wir was für ein starker Wind da draussen tobte. Als ich ausstieg, peitschte mir der eiskalte Wind erbarmungslos um die Ohren und ich konnte die Autotür gerade noch rechtzeitig halten, bevor der Wind sie mit grossem Druck aufstiess und grösseren Schaden anrichtete. Oft bin ich hier durchgefahren aber nie angehalten um den Pass genauer zu erkunden. Nun war es dunkel und wir machten uns parat für die dunkle Nacht mit dem vorhin erwähnten und erschwerenden Faktor dieser Sturmböe.
Immer wieder fuhren Autos an uns vorbei und bremsten leicht ab. Sie dachten sicher was das für zwei verrückte Spinner sind, mitten in der Nacht in dieser eisigen Kälte irgendwo am Strassenrand des Julierpasses, die sich im Kofferaum hinten, Tiefkühlanzüge und Moonboots anzogen. Aber das machte uns nichts aus, im Gegenteil. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl und zaubert mir immer wieder ein lächeln auf mein Gesicht. Zu wissen dass nur wenige sich sowas aussetzen um einfach ein paar fotos zu machen und vor allem in engem Kontakt zur natur zu stehen. Eigentlich gar nichts aussergewöhnliches, sind wir doch alle Teil dieser Welt und die Natur uns in jeglicher Form unendlich viel wieder zurück gibt. Ich sitze also da und schnür mir die Moonboots zu, das sich als als erschwerend erwies. Merke: Wuchtig dicke Kleidung und Bücken beissen sich 😉 Ich dachte unwillkürlich an einem warmen Bett, schwelgte noch ein wenig in diesen Gedanken rum und genau so schnell wie diese wachträume kamen, genau so einfach rappelte ich mich hoch und merkte noch wie ich lächelte und wirklich glücklich war.
Wir liefen die Strasse entlang hoch bis zur ersten Kurve und stiegen da den überraus steilen Hügel hoch. Der Wind wurde immer stärker und zeitweise verlierten wir beim klettern fast das Gleichgewicht. Sowas habe ich im Mai letztes Jahr auf dem Sustenpass erlebt. Wir setzten uns auf einem kleinen natürlichen Podest hin und begutachteten die Szenerie. Hier sollte das erste Foto entstehen und ich richtete mein Stativ und Kamera ein, machte zuerst ein paar Testfotos und hoffte dass wir den Kampf gegen den Wind gewinnen würden. Die Blickrichtung war ziemlich genau Richtung Süden und liess mein Herz höher schlagen für die bevorstehende Sommermilchstrasse.
Ich schoss zuerst eine normalbelichtete Aufnahme für die Sterne. Der Orion stand ziemlich genau in der Mitte des Bildes über dem Tal und die massive Berge. Die Strasse schlängelte sich durch das Bild hindurch und ich war mit dieser Perspektive noch nicht ganz zufrieden. Weiter oben wird es bestimmt noch ein paar gute Aussichtspunkte geben die wir im Verlauf der nacht noch besuchen würden... doch es kam alles anders 😛
Ich begutachtete das Bild und setzte meine Arbeit fort. Da es schon dunkel war, musste ich zwangsläufig einige Langzeitbelichtungen von 10 Minuten machen, damit die ISO niedriger gehalten werden konnte. Bei der ersten Aufnahme fuhr bei 3 Minuten ein Auto das Tal hoch und überblendete die ganze Aufnahme und ich musste den Prozess abbrechen. wir warteten bis das Auto vorbeifuhr und ich startete den nächsten Versuch. Wegen der gleichen Problematik der Autoscheinwerfer, brach ich auch den nächsten Shot ab und so weiter und sofort... fast eine Stunde lang versuchte ich meine geplante Langzeitbelichtung zu vollbringen und immer wieder wurde ich durch die störenden Autos unterbrochen. Es war wie verhext! Zeitweilig war da ein richtiger Verkehr und ich fragte mich was die um diese späte Uhrzeit hier noch rumfahren... Ob das alles Fotografen waren?
Hinzu kam immer noch der Wind, aber wovon rede ich eigentlich, das war schon fast orkanartig und ich musste sogar das Stativ halten, damit es mir nicht weggefegt wird. Das führte ab und an zusätzlich zu kleinen Verwacklungen und ich musste lange...sehr lange... über 90 Minuten... üben und wieder von vorne anfangen, bis ich 3 einigermassen saubere Aufnahmen im Kasten hatte. Eins für den
Sternenhimmel, eines für die Lichtspur der Autos und eines für die Landschaft.
Unser Vorhaben die Gegend noch genauer zu inspizieren, wurde von uns verworfen weil es wegen dem starken Wind und den inzwischen aufziehenden Wolken keinen Sinn mehr machte. Ausserdem sind an meinem Bart schon kleine Eiszapfen enstanden und meine Freundin war unheimlich still geworden 😀
Wir kletterten vorsichtig den Hang wieder runter und liefen im Eiltempo zum Auto. Die Heizung war erstmal unser Ziel und sogleich hab ich sie eingeschaltet. Ein wirklich schöner Ort, den wir ganz bestimmt und sehr sehr bald erneut wieder besuchen werden um den sommerlichen Nachthimmel zu fotografieren und nächstes Mal hoffentlich OHNE den Orkan.